Error 404 – Generation Y not found!

Error 404 – Generation Y not found!

Vorbemerkung:
Der nachfolgende Artikel ist bereits vor 2 Jahren auf einem HR-Blog erschienen (http://www.der-hr-blog.de/2014/03/27/generation-y-eine-gegenrede/). Da mir der Artikel stilistisch nicht mehr gefällt und dieses Thema leider immer noch brandaktuell zu sein scheint, habe ich mich zu einer leicht veränderten Neuauflage hinreißen lassen. Viel Spaß!

Haben Sie kürzlich mal Ihr Horoskop gelesen? Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich möchte mit diesem Beitrag keine Grundsatzdiskussion über die (Nicht-) Belegbarkeit von Horoskopmeldungen anzetteln. Aber wir alle wissen: Der Wahrheitsgehalt einschlägiger Horoskope, insbesondere aus 1,27 Euro Magazinen, dürfte aus wissenschaftlicher Sicht gegen 0 tendieren.

Um zu verstehen, worauf ich hinaus will, zeigt die unten dargestellte Tabelle exemplarisch Horoskope für eine x-beliebige beschriebene Woche. Ich habe mich hierbei auf 3 Tierkreiszeichen beschränkt, was der darin verborgenen Erkenntnis jedoch keinerlei Abbruch tun dürfte:

Merkmal Widder Stier Zwilling
Lust & Liebe Ich habe gute Laune. Meine Ausstrahlung glänzt in den tollsten Farben. Ich sollte mehr Eigeninitiative zeigen. Ich befinde mich in einer Charme- Offensive. Romantische Zeiten brechen an.
Beruf und Finanzen Ich sammele Pluspunkte durch Vielseitigkeit und Flexibilität. Eine wichtige Aufgabe wartet auf mich. Ich sollte meinem Instinkt vertrauen und die Gegebenheiten kritisch betrachten. Teamarbeit steht hoch im Kurs. Ergänzender, kritischer Hinweis: Ich sollte größere Anschaffung vermeiden und mich ausreichend informieren.
Gesundheit & Fitness Ich sollte auf meine Ernährung achten und Sport machen. Mir fehlt der Elan für sportliche Betätigung und möchte mich deshalb nicht mit kraftraubendem Training belasten. Entspannung ist wichtig. Backen Sie am 30.xx. einen Erdbeerkuchen mit Sahne. Um 15:38 kommt ihr Nachbar vorbei.

Jetzt nehmen Sie sich bitte einmal kurz die Zeit und überlegen sich, losgelöst von ihrem Sternzeichen, folgendes:

  • Welche der hier beschriebenen Dinge treffen grundsätzlich auf mich zu?
  • Welche Umstände sind wirklich eingetroffen?
  • Welche Umstände sind nicht eingetroffen?

Sie werden nun feststellen, dass irgendwie aus fast jedem Sternzeichen irgendwelche Umstände grundsätzlich auf Sie zutreffen und / oder in der vergangenen Woche irgendwie zutreffend waren, auch wenn Sie hierfür um 7 Ecken denken müssen.

Warum ist das so? Weil Horoskope nun einmal so funktionieren! Gebt den Menschen Allgemeingültigkeiten an die Hand, verteilt diese auf bestimmte Zugehörigkeiten und die halbe Menschheit rennt jeden Wochenbeginn zum örtlichen Zeitschriften-Dealer (Anm. d. Red. es handelt sich hierbei um eine bewusste Wortwahl) um sich auf die bevorstehende Woche vorzubereiten. Und nun werden die Fröhlichen fröhlicher und die Grimmigen grimmiger.

Und jetzt, halten Sie sich mal die Merkmale der verschiedenen Generationen vor Augen. Generation Y, Generation X, Generation Babyboomer und wie sie alle heißen.

Bitte dieses einfach mal wirken lassen. 3….. 2….. 1…..

Merken sie etwas? Spannend, oder? Die Aufstellung der angeblichen Generationsunterschiede hat erstaunlich viel mit dem oben dargestellten Horoskop und den daraus resultierenden Verteilungsmerkmalen zu tun.

Es gibt keine Generationsunterschiede! Zumindest nicht in Bezug auf Arbeitswelt und Arbeitsmoral.

Wir alle, ob nun Babyboomer, Silberhaar, Generation X oder Generation Y sind in unseren Karriere- und Wertevorstellungen nicht so weit auseinander wie uns jüngste Studien versuchen glauben zu machen. In jeder Generation gibt es:

  • Karrieristen – Selbstverwirklichung durch berufliche Anerkennung und Aufstieg
  • Menschen, die durch beruflichen Aufstieg und monetäre Besserstellung andere Ziele verwirklichen wollen
  • Flachpfeifen

Aber wie begründet sich nun eigentlich dieser Hype um die Generationen, insbesondere um die gerade brandaktuelle Generation Y? Wie kann es sein, dass eine so offensichtliche Luftnummer derzeit eine solch immense Beachtung zukommt?

Durch die Herausstellung besonderer (positiver) Merkmale einer Generation und der damit verbundenen Abgrenzung zu allen vorherigen und nachfolgenden Generationen, entsteht bei den “Betroffenen” unvermeidlich das Gefühl, man wäre zum einen anders und zum anderen auch noch besser als der Rest der arbeitenden Bevölkerung. WIR sind die Digital Natives, das seid IHR nicht. WIR kennen uns in der Merkel-Neuland-Internet-Welt aus, IHR nicht. WIR haben die Macht, durch den demographischen Wandel, die habt IHR nicht etc….

Je häufiger dieses Generationen-Thema über die Maße strapaziert wird, desto mehr manifestiert es sich sowohl in den Köpfen der angeblichen Generation Y als auch in den Köpfen von Personalleitern, die daraufhin dringend Handlungsbedarf verspüren, denn: Zum Glück (!!!) gibt es ja einen Haufen von Beratern, die SOFORT mit Rat und Tat zur Seite stehen, damit das Unternehmen im „War for Talents“ bloß nicht den Fehler macht und sich nicht auf die (ach so andere) Generation Y einstellt und auf einmal ohne Mitarbeiter dasteht, weil sie die Kantine nicht rechtzeig rosa gestrichen haben.

Maßgebliche Treiber dieses Generationenhypes sind die “Wissenschaftler” aus dem Forschungszweig Human Resources. Ich habe manchmal das Gefühl, dass ein Großteil dieser “Wissenschaftler” eigentlich sehr traurig ist, dass sie sich nicht auf Weltraumforschung spezialisiert haben und jeden Monat durch bahnbrechende Manifeste über Dunkle Materie, Quantenphysik und WARP-Antriebe auf sich aufmerksam machen können. Stattdessen werden absolute Banalitäten zur Raketenwissenschaft erklärt. Um es auf die Spitze zu treiben (und zu verdeutlichen, dass ich nicht ins Blaue hinein orakele) anbei ein Auszug, der verdeutlicht, wie man das Thema Generationen ad absurdum treibt. War es vor 2 Jahren noch die Einteilung der Gen Y in Genom A und B, sind wir heute leider einen Schritt weiter. Daher nun eine neue und ich möchte sagen unfassbar bahnbrechende Einteilung in folgende 6 Typen:

  • den Proper Conservative (strebt nach Familie, Partnerschaft und Sicherheit),
  • den Self-centered Entrepreneur (will Chef sein Verantwortung übernehmen),
  • den Competetive Professional (kommt mit Druck klar, mag Geld, will aber auch Sicherheit),
  • den Craving High-Performer (ist ständig auf der Suche nach Neuen, braucht viel Anerkennung),
  • den Unpretentious Comfortseeker (will sich vor allem gut fühlen, hat keine allzu hohen Ansprüche),
  • und schließlich den Indifferent Follower (hat keine klaren Ziele, lässt sich eher treiben).

(vgl. http://www.karriere.at/blog/generation-y-recruiting.html)

Kurzer, geistiger Flashback zur Horokoptabelle… Und ein kleiner Hinweis sei noch erlaubt: Die Autoren haben 70 psychologische Tiefeninterviews mit Vertretern der Generation Y geführt und eine Online-Studie mit 4.000 Teilnehmern durchgeführt. Wenn man die Kernaussagen dieser Studie mit gesundem Menschenverstand interpretiert, kommt man schlussendlich zu einer zentralen Aussage: “Es gibt halt Solche und Solche” – Herzlichen Glückwunsch. Das hätte auch von meiner Oma kommen können.

Falls irgendein Leser direkt oder indirekt in die Finanzierung dieser ‚Studie‘ verwickelt ist: Mein herzliches Beileid.

Herausgekommen sind nämlich folgende revolutionäre Schlussfolgerungen:

  • Viele wünschen sich Zeit fürs Privatleben, eine kollegiale Atmosphäre sowie kompetente und reflektierte Führungskräfte
  • Der Rat an Arbeitgeber: Akzeptieren Sie, dass Sie die Generation Y nicht ändern werden, lassen Sie sich auf die Gen Y ein

(vgl. http://www.karriere.at/blog/generation-y-recruiting.html)

Ich möchte gern diejenigen aus den Vorgängergenerationen kennen lernen, die sich keine Zeit für’s Privatleben wünschen, die unbeirrt und freudestahlend jedem Mobbing standhalten und das Ganze auch noch für inkompetente, cholerische, subjektive Führungskräfte tun. Das waren noch Zeiten…

Letztendlich müssen wir uns bei dem Thema „Generation Y“ auch einmal die Frage stellen, ob es sich hierbei wirklich um einen Generationeneffekt handelt. In Deutschland befinden wir uns nun seit mehreren Jahren in Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs. Kaum ein Quartal endet ohne neue Bestmarken der Arbeitslosenquote. Somit kommen immer mehr Arbeitnehmer und Berufseinsteiger in den Genuss, frei zwischen Arbeitgebern wählen zu können. Wenn mir als Arbeitnehmer mehrere Angebote mit nahezu gleichen Konditionen vorliegen, dann entscheide ich mich natürlich für den sympathischeren Arbeitgeber. Vor diesem Hintergrund reden wir dann in letzter Konsequenz nicht mehr über die irgendwelche absurden Merkmale einer imaginären Generation sondern über Employer Branding im Allgemeinen. Offiziell bin ich (noch) kein Wirtschaftsweiser aber ich wage an dieser Stelle einmal eine Prognose: Sobald wir wieder in eine wirtschaftliche Rezession rutschen, was unweigerlich irgendwann passieren wird, dann werden wir kein Wort mehr über Generation X, Y und Z verlieren.

Darüber hinaus halte ich es auch für relativ groben Unfug junge Menschen ohne wirklich relevante Arbeitserfahrung nach ihren Ansprüchen in der Arbeitswelt zu befragen und diese Ergebnisse dann mit etablierten Arbeitsbedingungen zu vergleichen:

  • Statussymbole wie Firmenwagen sind völlig uninteressant? Ich kenne eine Menge Menschen, die noch nie einen Firmenwagen besessen haben und auch nicht das dringende Bedürfnis verspüren um jeden Preis einen Firmenwagen haben zu müssen. Ich kenne allerdings NIEMANDEN, der einen Firmenwagen besitzt und diesen wieder abgeben möchte, weil er ja so einen schönen Drahtesel hatte
  • Einer der größten Interessen ist die Work-Life-Balance und Freizeitmaximierung? Klar, als Student nachvollziehbar. Sobald aber Familie, Kinder und Verantwortung hinzukommen, wendet sich das Blatt. Das war zum Beispiel mir im Alter zwischen 20 – 25 auch noch nicht so wirklich bewusst.
  • Forderung nach flachen Hierarchien? Logo… Diese Forderung besteht aber auch nur so lange, bis man mal die ersten echten Erfahrungen mit flachen Hierarchien gemacht hat. Funktioniert nämlich in den meisten Fällen gar nicht mal so toll, sobald mehr als 50 Mitarbeiter beteiligt sind.

Die damalige Hippie-Freigeist-Woodstock-Generation, sitzt übrigens heute in Vorständen von Großkonzernen, wohnt in spießigen Vororten, trinkt viel zu teuren Wein, spielt Golf und sitzt gerade im Moment vor dem Rechner und liest einen kritischen Artikel über die Generation Y. Denken sie mal drüber nach…

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5 thoughts on “Error 404 – Generation Y not found!

  1. Hi Felix,

    ein sehr guter Artikel mit viel Sprachwitz und Ironie. Wir sind Menschen. Wir sind ein Produkt aus Charakter, Umfeld und eigenen Erfahrungen. Wir wollen, dass es uns geht! Das gilt für Babyboomer, GenY, X, Z oder whatever.

    Gruß
    Christoph Teege
    http://www.Christoph-Teege.de

    1. Hi Christoph,

      Sprachwitz und Ironie können wir halt besonders gut. Die Essenz des Artikels hast du hervorragend in 3 Sätzen zusammen gefasst. Chapeau! 🙂

      Beste Grüße, Felix

    2. Anna

      Sehr richtig! Vielen Dank… Es sind wohl eher die Umstände, als die Generationen an sich.

  2. Guter Beitrag. Die Jungen sind sehr ungeduldig. Die Generation Y ist auch ungeduldig. Das ist ein Problem.

    1. Hallo und danke für dein Feedback. Allerdings verstehe ich deine Aussage nicht wirklich. Was genau wolltest du denn damit zum Ausdruck bringen? Grüße, Felix

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