Herzlich willkommen in der Realität! Darf ich Sie kurz herumführen?

Herzlich willkommen in der Realität! Darf ich Sie kurz herumführen?

Ich habe den Artikel jetzt gerade zum dritten Mal gelesen. Zugegeben: Nach dem ersten – vielleicht flüchtigen – Überfliegen des Werkes war ich ja noch der hoffnungsvollen Überzeugung, dass ich die Kernaussage einfach nicht verstanden habe. Passiert ja selbst mir gelegentlich mal. Nach dem zweiten, motivierten Anlauf habe ich allerdings immer noch keinen Schimmer, was der Autor jetzt genau zum Ausdruck bringen möchte. Mich beschleicht ein ungutes Gefühl… Na gut, dann halt ein dritter Versuch. Aber dieses Mal rüste ich mich vorher mit meinem Bullshit-Detector-Helm aus. Und siehe da, meine Befürchtung sollte sich (mal wieder) bestätigen:

„Was zum Teufel habe ich da gerade gelesen?! Es kann ja wohl nicht wahr sein, dass das wirklich jemand geschrieben hat. Ernsthaft?“

In diesem sehr konkreten Fall ging es um die Entdeckung des heldenhaften “Gen Y Barometer”. Der gegen null tendierende Mehrwert der ausschweifenden, textlichen Ergüsse des Autors ist zum Haare ausreißen.

Kurzer Blick in die sozialen Netzwerke: Der oben genannte Artikel verbreitet sich wie ein Lauffeuer. Als hätte gerade jemand die Bundeslade ausgebuddelt und darin die Formel für den Weltfrieden gefunden! Heureka!

Schon wieder ein „neuer“ Blog? Brauch‘ ich nicht!

Doch! Brauchen Sie sehr wohl! Sie glauben mir nur nicht, weil sie im schlimmsten Fall schon seit Ewigkeiten keinen echten Blog mehr gelesen haben.

Denn unsere Erkenntnis und total subjektive Meinung ist: Die Blogging-Kultur ist mittlerweile völlig verkommen. Man kann sich noch verschwommen an die Anfänge des Bloggens erinnern: Da hat der Filialleiter aus dem Supermarkt über die Absurditäten seines Arbeitsalltags geschrieben und uns auf amüsante Art und Weise Einblicke in eine Welt verschafft, die wir in dieser Form selten bis nie zu Gesicht bekommen. Quasi ein öffentliches Online-Tagebuch.

Darüber hinaus gab (und gibt) es eine Vielzahl an Blogs zu den unterschiedlichsten Themen. Geschrieben von ganz normalen Menschen mit einer Leidenschaft: Kochen, Karnevalskostüme, mein schönstes Ferienerlebnis…

In beiden Fällen geschah das Ganze meist ohne einen professionalisierten, redaktionellen Fokus. Einfach so! Gut so!

Aber wie bei fast jedem Trend, dem eine bestimmte kritische Masse an Aufmerksamkeit zu Teil wird, wird eine Frage unaufhaltsam, aufdringlich und konsequent in den Vordergrund rücken: Kann man damit eigentlich auch Umsatz generieren? What’s in it for me? Per se sind weder die Frage noch die Generierung von Umsatz verwerflich. Verwerflich ist allerdings die Degradierung des Blogs zum Verkaufsinstrument. Diese Mutation hat er nicht verdient. Gesamtkastriert in seiner Einzigartigkeit. Versunken in der völligen Belanglosigkeit. Weichgespülter Einheitsbrei. Auch nicht, weil “ja jetzt alle einen Blog haben”… schon garnicht deswegen.

Der Business Blog – eine traurige Geschichte

Heutige Blogs, die sich mit Themen rund um Business und Wirtschaft beschäftigen, werden z.B. nicht selten von Unternehmen betrieben oder zumindest (sehr subtil – Sarkasmus: off) querfinanziert. Und jetzt denken wir mal scharf nach: Was mag wohl deren Beweggrund sein? Caritative Ambitionen würde ich jetzt mal ausschließen. Selbstdarstellung? Vielleicht. Die Autoren wissen mit Ihrer Arbeitszeit nichts Besseres anzufangen? Ein nicht zu unterschätzender Faktor. Um das Kind beim Namen zu nennen: am Ende verspricht man sich Umsatzsteigerung.

Gehen wir mal vom besten Fall aus: Da gehen Autoren munter ans Werk und entwerfen für ihren Arbeitgeber einen vielleicht wirklich gar nicht so schlechten Artikel in ursprünglicher Blog-Qualität. Freie Meinungsäußerung. Subjektiv. Vielleicht schnippisch, kritisch oder sogar lustig. Diese erste Version (nennen wir ihn mal „Artikel_v1.docx“) wird dann prozesskonform aber natürlich erstmal vom Chef geprüft. Mit dem frei erfundenen, aber nicht unwahrscheinlichen Feedback der Art: „Das kannst du doch so nicht schreiben! Wir müssen Umsatz generieren. Mach mal lieber ne Portion Weichspüler in die rote Schleife, die du verbal um den Text bindest! Stell das Produkt in den Fokus. Bevor das raus geht, muss das aber sowieso noch zur Compliance, gell?“

Gesagt, getan: unser kleiner, nicht mehr ganz so frei meinungsgeäußerte „Artikel_v1.1.docx“ wandert nun zwei bis drei Etagen nach oben. Oder seitwärts. Zack! Penetration mit der Compliance-Keule inklusive Zertifikat: „Artikel_final.docx“.

Weil wir ja nun mit Gen X, Y, Z und überhaupt im total digitalen Zeitalter leben, und der Blog ja ein Social Media Instrument ist, darf das hippe Social Media Department natürlich nicht fehlen. Leider sind sich die Jungs und Mädels dort auch nicht so sicher ob man „das“ so schreiben darf und holen sich den letzten Feinschliff bei der Pressestelle des Unternehmens. Die Gefahr eines Online-Shitstorms muss unbedingt mit allen Mitteln abgewendet werden! Die optimieren noch mal ordentlich an dem Teil herum und dann ist der Artikel endlich als Version “Artikel_final_v2.docx” bereit für eine Veröffentlichung! Weich gespült, vertriebsoptimiert, compliant und pressetauglich…

Leider ist spätestens an dieser Stelle nichts, aber auch gar nichts von der ursprünglichen Qualität und Intention des Artikels übrig geblieben. Der verbliebene Rumpf beschränkt sich auf reine Fakten und ist in seiner Gesamtheit so unendlich sexy wie der Aushang zum nächsten ökumenischen Gottesdienst in der Turnhalle Ihres Vertrauens (Ja, das ist politisch absolut nicht korrekt. Spiegelt aber unsere Meinung wieder. Einfach so.). Wie viel mehr Umsatz dabei jetzt rum gekommen ist, steht außerdem noch mal auf einem anderen Blatt.

Ich möchte gar nicht wissen, wie viele großartige Blog-Artikel auf diese Art und Weise im Schredder gelandet sind. Und WENN man dafür schon die unzähligen o.g. Ressourcen bindet, dann doch bitte wenigstens zielführend. Ich wage nämlich zu bezweifeln, dass “Artikel_final_v2.docx” tatsächlich die Taschen irgendeines schlauen Unternehmers gefüllt hätte.

Was werden Sie hier in Zukunft finden?

Um es kurz zu machen: Sie werden hier in Zukunft grundsätzlich unverfälschte Artikel in der Version 1 finden. Na gut – der ein oder andere Artikel hat bei uns intern wohl auch ne Schleife mehr gedreht… Allerdings weichspülerfrei und ganz ohne Fußfessel und Knebel. Wer also Typos oder sonstige Aufreger findet, darf diese gern behalten, kommentieren oder munter teilen.

Thematisch wird der Kern aller Artikel in irgendeiner Art und Weise der Arbeitswelt zugeordnet sein. Texte, Bilder, Zitate und sonstige geeignete Medien, die auf kritische, amüsante, provozierende und gelegentlich wahrscheinlich auch unverschämte Weise unsere persönliche Meinung und Einschätzung wiedergeben. Unser kleines Business Tagebuch sozusagen. Beispiele gefällig? Sehr gerne…

  • Generation X,Y,Z – oder wie meine Oma sagen würde: jeder Jeck is anders
  • Wieso zum Teufel bedarf es einer Langzeitstudie, um herauszufinden, dass ein angemessenes Gehalt einen positiven Einfluss auf die Mitarbeitermotivation hat?
  • Stilblüten im Headhunting
  • „Feel Good Manager“
  • Best off…
  • Überlebenstipps
  • Fundstücke

Und was soll das Ziel sein?

„Bin ich eigentlich verdammt noch mal der einzige Mensch auf diesem Planeten mit dieser Sichtweise auf die Dinge???“

Diese Frage haben wir uns in der Vergangenheit häufig stellen müssen. Eigentlich ist das Ganze ein Selbstexperiment. Wir hätten gerne den ultimativen Beweis dafür, dass wir eben NICHT die Einzigen sind, die ‘so’ ticken. Und ‚so‘ ist in diesem Falle unsere total subjektive Sicht der Dinge. Für uns: Die normale Sicht der Dinge.

Eine Sache noch zum Schluss – und das ist uns besonders wichtig! Auch wir haben natürlich die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen und geben in vielen Fällen und mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit dem Lesespaß uneingeschränkten Vortritt vor (raketen)wissenschaftlicher, redaktioneller und politischer Korrektheit.

Auf geht’s also! Gesunder Menschenverstand: Here we go!

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5 thoughts on “Herzlich willkommen in der Realität! Darf ich Sie kurz herumführen?

  1. Danke für diesen Beitrag
    Da steht:
    “Wieso zum Teufel bedarf es einer Langzeitstudie, um herauszufinden, dass ein angemessenes Gehalt einen positiven Einfluss auf die Mitarbeitermotivation hat?”
    Es brauchte mehrere Langzeitstudien um feststellen zu können, dass Geld nicht unbedingt einen positiven Einfluss hat auf die Mitarbeitermotivation 🙂
    Seichte Kost gibt es zu genüge auch in Corporate Blogs, leider aber zu wenig Qualität. Dieser Beitrag erinnert uns, dass wir gute Arbeit leisten müssen.
    Merci
    Urs

    1. Anna

      Hey Urs,
      Danke für deinen Input! Freut mich, wenn wir zum Nachdenken anregen können. In diesem Sinne: weiterhin frohes Bloggen 😉
      VG
      Anna

  2. Sehr gut. Viel Erfolg, ich freue mich auf die nächsten Geschichten.

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