Es war einmal: Ein Schmiedeofen, ein Stück Eisen und ein Schmied…

Es war einmal: Ein Schmiedeofen, ein Stück Eisen und ein Schmied…

Wir finden uns wieder in nicht allzu ferner Zukunft oder Vergangenheit und betreten eine Schmiede. Jener Ort, an denen der Schmied funkensprühend Kundenwünsche erfüllt. Eines Tages schneit bei unserem imaginären Funkensprüher ein imaginärer Kunde vorbei und hat einen Auftrag im Gepäck: die Produktion neuer Hufeisen für seinen Gaul. 4 an der Zahl. Jucheee… Ein Großauftrag. Natürlich hat besagter Kunde vorher die 4 Hufe seines Pferdes genauestens vermessen und besitzt dementsprechend minutiöse Vorstellung über Dimensionen, Material, Aussehen und Eigenschaften. So sei es! Der Schmied überlegt sich, welches Stück Eisen am besten geeignet ist und reibt sich vorsorglich schon mal die Hände. Der Rubel rollt und das Abendessen ist gesichert.

Nun geht der Schmied hin, platziert das umsichtig ausgewählte Stück Eisen auf dem Amboss und prügelt mit wachsender Begeisterung so lange mit dem kleinen Bruder von Thors Hammer darauf ein, bis aus einem unförmigen Klumpen rot glühenden Metalls ein kundenwunschkonformes Fußaccessoire für ein Brauereipferd geworden ist. Und nehmen wir mal an, dass dann auch noch alles gut gegangen ist. Kunde glücklich, Schmied glücklich. Win-Win-Situation. Wenn… ja, wenn da nicht das Eisen wäre…

Niemand hat das Stück Eisen gefragt, was es gerne sein möchte! Vielleicht wollte es gar kein Hufeisen, sondern ein Schmetterling werden?! Jawohl! Und vielleicht hatte das Stück Eisen eigene Vorstellungen über seine zukünftigen Dimensionen, Aussehen und Eigenschaften? Oder es hatte sogar mal Werte? Nix da! Das interessiert in unserer Geschichte niemanden. Schmied und Kunde haben das übergeordnete Ziel im Auge ‚Gaul-Mobilisation‘ und da ist es völlig irrelevant, sich über die infantilen oder idealistischen Träumereien eines kleinen Stücks Eisen Gedanken zu machen. Schließlich geht es einzig allein und darum, den ollen Gaul wieder in die Gänge zu kriegen und die Familie des Schmiedes vor dem Hungertod zu bewahren. Armes, kleines Stück Eisen…

Die Business Schmiede

Was, wenn wir Schmied durch Start-Up Schmiede, Kunde durch Investor, Brauereipferd durch Großkonzern und das Stück Eisen durch Start-Up ersetzen? Dann wird plötzlich ein Schuh daraus. Ein trauriger Business Schuh…

Das heiß-glühende Stück Eisen (Das Start-Up) darf im Gegensatz zu o.g. Situation dem Schmied (Start-Up Schmiede) und dem Kunden (Investor) seine Ideen und Vorstellungen zwar vortragen, aber eigentlich wissen alle: den Investor interessiert am Ende nur eins. Nämlich Umsatz. So kurzfristig wie möglich. Auf jeden Fall in diesem Quartal – komme was wolle. Return-on-Invest in Neutrino-Geschwindigkeit!

Darüber hinaus ist das Brauereipferd halt leider auch kein Formwandler sondern vielmehr ein alter, träger, müder oller Gaul, der seine Halbwertzeit schon lange hinter sich gelassen hat. Aber solange das Pferd morgens noch die Augen öffnet, wird kein Mittel unversucht gelassen, noch mal einen Hauch der Performance aus der guten, alten Zeit zu reanimieren. Dieses Mal halt mit Hufeisen. Das Pferd kann zwar nichts für seine Hufe, aber im schlimmsten Fall muss das zukünftige Hufeisen, mal abgesehen davon, dass es vielleicht gar kein Hufeisen sein wollte, auch noch mit behaarten, deformieren Hobbit-Hufen leben. Das Hufeisen muss zum Huf passen, nicht umgekehrt. Was eine Huf-Kosmetik-und-Performance-Operation kosten würde! Nicht auszudenken!

Die Start-Up Schmiede ist in diesem ganzen Spielchen derjenige, der die Ideen, Vorschläge und Rahmenbedingungen beider Seiten aufnimmt und in den Rahmen des Möglichen presst. Nun ist er aber eben Schmied und keine Seidenraupe.

Und genau an dieser Stelle sind wir dann wieder bei: “Das geht so nicht, weil…”

  • … das haben wir schon immer so gemacht”
  • … das haben wir noch nie so gemacht”
  • … Stakeholder, Shareholder, Valueholder, Betriebsrat, Tante Erna und der Hausmeister
  • … Compliance und Regulations
  • … Unternehmens-, Lokal- und Globalpolitik
  • … Feng Shui
  • … langweilt mich

Keine Chance für den potentiellen Schmetterling. Letzten Endes sitzen Schmiede und Investor am längeren Hebel. Somit wird aus der innovativen, bahnbrechenden Idee am Ende des Tages dann doch wieder nur ein olles Hufeisen. Ein tristes Leben am Hobbit-Huf eines Brauereipferdes. Oder Ackergauls. Das ist dann auch schon egal.

Start-Ups entstehen nicht in Schmieden!

Was lernen wir daraus? Keine weltbewegende Geschichte hat je mit den Worten begonnen: „Als ich einmal einen Salat gegessen habe…“. Und vermutlich wurde kein weltbewegendes Start-Up aus der Taufe gehoben, weil ein glühendes Stück Eisen sich dachte: „Und dann habe ich mir in Q1 überlegt, wie ich bis März mal so richtig viel Geld verdiene!“

Natürlich brauchen Start-Ups ab einem gewissen Reifegrad neben geordneten Strukturen Risiko- und Fremdkapital. Gar keine Frage. Aber bitte nicht aus dem Schmelzofen von starren Großkonzernen und deren Investoren. Die Aussicht auf Fremdkapital darf kein Haupttreiber für die Gründung eines Start-Ups sein.

Die meisten Geschichten (ehemaliger) weltbewegender Start-Ups dürften nämlich wohl eher so beginnen: „…Und auf einmal habe ich aus Versehen irgendwie damit Geld verdient!“

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4 thoughts on “Es war einmal: Ein Schmiedeofen, ein Stück Eisen und ein Schmied…

  1. Anna

    Hi Julia, Danke für deinen Kommentar. Und ‘Gott sei Dank’: es gibt Sie noch!!! Diejenigen, die einfach Ihrer Passion folgen. Finde ich großartig… Lass dich nicht verbiegen 🙂

  2. Genau so ist das. Sobald Start-Up-Ferne Leute daran herumwurschteln, geht es in die Hose oder die Vision der Gründer geht dahin – und dann geht es auch in die Hose.
    Ich merke das immer wieder selbst, wenn es heißt “Und was ist dein Ziel?” – Wenn ich dann sage “Eine schöne kleine Papeterie-Marke gründen” wird mir gleich ins Wort gefallen “nein, nein, die größte und bekannteste Papeterie-Marke in Deutschland – und bald der Welt!” … aber das will ich doch gar nicht! Ich will eine kleine süße Marke, die ein paar Kunden kennen und die es mir erlaubt, nicht zu verhungern. Das reicht. Mehr will ich nicht. – Deswegen will ich auch so ungern drüber reden. Fremde oder Freunde wollen immer gleich 200%, wo ich mit 110% schon völlig glücklich wäre. – Ich fühle mich dann auch immer bevormundet. Wie das Stück Eisen in deiner Geschichte.

    Und bevormundet werden will niemand, oder?

    LG
    Julia

    1. Vielen Dank für deinen Kommentar und sorry für die späte Antwort! Ich sehe das genauso! Jeder muss für sich selbst entscheiden, wie der Character seines Start-ups aussehen sollte. Wenn du dir das Ziel gesetzt hast, zu tun was du willst und damit über die Runden kommen möchtest, ist das ja deine Entscheidung. Das mag aus dem Blickwinkel anderer Menschen völliger Quatsch sein. Aber die geht’s auch nix an. Punkt.

      Grüße, FElix

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